Dass Lissabon eine Hochburg für Kunst und Street Art ist, versteht man schnell, nachdem man einige Stunden durch die Lissabonner Straßen spaziert ist. Ob kleine, auf Papier gemalte Kunstwerke, die an Hauswände geklebt werden oder überdimensionale Kunstwerke, die ganze Hochhauswände schmücken - hier gibt es immer wieder Neues zu entdecken.
Als ich 2016 nach Lissabon gekommen bin, war ich fast täglich mit meiner Kamera unterwegs, um jede Ecke meiner neuen Heimat zu entdecken. Besonders angetan hat es mir von Anfang an die Alfama aufgrund seiner verwinkelten Gassen, seiner Geschichte als Geburtsstätte des Lissabonner Fados und wegen dem Kontrast aus verfallener Baustruktur und Touristenmagnet.
In der Beco das Farinhas bin ich 2016 das erste Mal auf die Werke der Künstlerin gestoßen, die ich euch heute vorstellen möchte. Auf dem Weg zur Burg (nicht der direkte, sondern kreuz und quer durch die Mouraria) fand ich in der kleinen Gasse eine wahre Open-air-Galerie. Von allen Seiten lachten mir ältere Herrschaften entgegen und dabei wirkten die Fotos so unheimlich natürlich - als wären die Modelle von einem ihrer Familienmitglieder fotografiert worden. Die Fotografin Camilla Watson, die seit 2007 in Lissabon lebt, hat es geschafft, genau diese Stimmung mit ihrer Kunst zu erzeugen.
Dieses Projekt mit dem Namen tributo, war ihr erstes Projekt dieser Art aus dem Jahr 2009. Sie hat die Anwohner, die im Viertel ihres ersten Fotostudios lebten, fotografiert und gemeinsam mit ihnen entschieden, welches der Fotos ausgestellt werden soll. Das Fotoprojekt sorgt für Stolz bei den Anwohnern - auf sich, auf ihr Foto und auf ihre Gemeinschaft! Besuchern der Beco das Farinhas gibt die Fotogalerie ein Gefühl von direkter Vertrautheit an einem Ort, der ihnen doch eigentlich noch gar nicht vertraut ist.
Ihr neustes und vielleicht bekanntestes Projekt "Alma de Alfama" ist weniger versteckt und eigentlich für jeden Alfama-Besucher unübersehbar, da Camilla Watson ihre Portraits dieses Mal einzeln über die gesamte Alfama verteilt hat. Der Name des Projektes lautet treffend "Alma de Alfama" = "Seele der Alfama". Wieder einmal verewigt sie diejenigen, die im Viertel geboren wurden, jeden Nachbarn beim Namen kennen und von jedem gekannt werden.
Dies gibt uns als Beobachtern eine Idee davon, was sich hinter den geschlossenen Türen und in den Hinterhöfen der Alfama abspielt und wie die Alfama einmal war, bevor die Besucherströme einkehrten und einige Bewohner aufgrund von ansteigenden Mieten aus ihrem Wohnraum gedrängt wurden. Mit ihrem Fotoprojekt holt die Fotografin daher die Vergangenheit in die Gegenwart und sorgt damit dafür, dass die Seele der Alfama auch in Zeiten des Wandels erhalten und für alle sichtbar bleibt.
Auf Camilla Watsons Website findet ihr zwei Karten, auf denen die Standorte der Portraits eingezeichnet sind. Wenn ihr mögt, geht doch mal gezielt auf die Suche oder lasst den Stadtplan und das Handy in der Tasche und geht verloren in den wunderschönen Gassen der Alfama. Die Kunst von Camilla Watson wird euch dabei ganz sicher über den Weg laufen!
Im übrigen fühlen wir uns als StadtführerInnen dazu verpflichtet, unseren Gästen einen unvergesslichen Urlaub zu bescheren aber auch, die Privatsphäre der Lissabonner zu respektieren. Um allen Beteiligten einen Gefallen zu tun, sind die Gruppengrößen auf unseren deutschsprachigen Stadtführungen durch Lissabon auf 12 Teilnehmer beschränkt. So können wir die Stadt in privater Atmosphäre genießen und stehen niemandem im Weg herum :)
Bis bald in Lisboa!
Eure Melina von WALK 'N' ROLL